Professor Fritz Grewenig
Eine Künstler Persönlichkeit des Saarlandes
Von Walter Schmeer, Schafbrücke/Saar
Technik und Kunst gehören zu
unterschiedlichen Bereichen das Denkens und Tuns. Doch haben sie von jeher
Gelegenheiten zur Begegnung gefunden. Eine solche Gelegenheit zur
Begegnung ist zustande gekommen, seitdem vor etwa anderthalb Jahrhunderten
Erscheinungen der sich entfaltenden Industrie in das Blickfeld und auch
bald in das aufnehmende Bewusstsein der Künstler traten die Technik wurde
zum Thema der Kunst. Es sie daran erinnert, dass es zuerst der Berliner
Baumeister Schinkel war, der in den früh industrialisierten England vorher
nie Gesehenes mit den Augen des Künstlers erlebte. Die frühesten Gemälde
jedoch, die über die von alters her beliebte Darstellung des alten
Handwerkbetriebes hinaus Dinge der Technik als Motive hatten- die
Eisenbahnbilder des Engländers Constable und des Deutschen
Menzel, auch noch Bahnhofsbilder Monets- beschränkten sich im
Grunde darauf, den Dampf der Lokomotiven gleich den Wolken am Himmel als
malerische Erscheinung zu zeigen.
Noch beschäftigten sich die Künstler nicht mit dem eigentlichen Wesen der
Technik, mit dem strikt rationalen Aufbau eines technischen Gebildes und
dem lückenlosen Ineinander greifen seiner Teile. Wer nichts anderes
wiedergibt als den malerischen Dampf, gebirgsartige Halden, gespenstige
Riesensilhouetten und urtümliche Feuersglut, verwendet Erscheinungen der
Technik als einen Augenschmaus, der ihm genauso vom Himmel, Berg, Baum und
Abendsonne hätte geboten werden können.. Anderseits wäre es freilich ganz
verfehlt, wenn der Künstler Technisches in seiner realen
Funktionsfähigkeit nachahmen wollte.
Bei solchem Realismus entstände
bestenfalls eine "technische Zeichnung". Es ist im Grunde eine Frage der
Begabungsrichtung, ob einem Künstler Gegenstände der Technik zum echten
Künstlerischen Motiv werden können. Innerhalb der Vielfältigkeit
(Strasse im Kohlenrevier Sulzbach Ölgemälde 1926)
künstlerischer Begabungen gibt es die, deren Grundvorstellungen vom Bild
dem Prinzip des Technischen gar nicht so fern steht, für die auch das Bild
in erster Linie ein aus sinnvoll angeordneten Teilen gefügtes Ganzes ist,
eine Begabung, deren schöpferische Kraft mehr die ordnete Vernunft als das
aufnahmebereite Gefühl ist. Selbstverständlich wird ein dieser Richtung
Begabter, wenn er ein echter Künstler ist, nicht den unüberbrückbaren
Gegensatz der Bereiche verkennen :In der Technik entsteht das Ganze aus
seinen Teilen durch Berechnung, in der Kunst durch Gestaltung, das heisst,
durch eine auf Vereinheitlichung zielende Verarbeitung von Seherlebnissen
Deshalb kann der Künstler die
Gesetzmäßigkeit in der Erscheinung einer Maschine in seinem Bild nicht
wiederholen, vielmehr muss er sie zum zum Motiv seines Bildes machen, so
ein anderer die Gesetzmäßigkeit geologischer oder biologischer Bestände
auch etwa den Aufbau des menschlichen Köpers, verwendet.
Eine
Voraussetzung für die Wahl technischer Erscheinungen als Bildmotive ist
außer dieser Begabungsgrundlage sicher auch die Vertrautheit mit der Welt
der Technik, von Jugend auf erlebte Einblicke in die Realität der modernen
Industrie. Ein Maler der diese Voraussetzungen mitbringt und der deshalb
auch vorbildlich künstlerische ,gültige Industriebilder geschaffen hat,
ist Professor Fritz Grewenig.
Der Künstler ist Saarländer.Er wurde 1891
in Heusweiler, einem der alten Dörfer nördlich des Saartales geboren, die
durch die Nähe der Kohle und des Eisens aus der behäbigen
Abgeschlossenheit bäuerlichen Lbens herausgerissen wurden und sich seit
der Jahrhundertwende in volkreiche Wohnbezirke des Hüttenreviers
verwandelt haben.
Mit dem Saarland verbindet Grewenig nicht
nur Geburtsort und Jugenderinnerung, nicht nur also die dem zum Bilden
Begabten sicher schon früh eingeprägten Erscheinungen und Vorgänge im
Bereich der Fördertürme, Halden, Hochöfen, Kamine und Werkshallen.
Grewenig lebte vielmehr in seinem Heimatland, bis er- so muss man es
ausdrücken- aus ihm vertrieben wurde.
(Der Grubenhüter Kohlezeichnung 1918)
Diese
erste künstlerische Anleitung erhielt Grewenig von dem in Saarbrücken
tätigen Richard Wenzel, einem aus Dresden stammenden Maler von der Art der
haltlosen Genialen..Wenzel, der selbst seine Begabung und sein Leben
achtlos vertan hat, war immerhin damals im kulturarmen Saarbrücken der
erste freie Künstler und ihm verdankt eine Reihe jüngerer Kräfte
den ersten Anstoß zum künstlerischen Schaffen.
Grewnig ging dann wohl , dem Beispiel
seines ersten Lehrers folgend, aud die Dresdener Akademie und kehrte auch
nach der Unterbrechung durch den Militärdienst im ersten Weltkrieg nach
Dresden zurück. Im Ganzen ist bei Grewenig der Einfluss von Lehrern und
Akademie nicht hoch zu veranschlagen. Wichtiger waren für ihn zu jeder
Zeit das eigene künstlerische Erlebnis und die kritische Einsicht.
Mit dem Jahre 1921 begann Grewenigs eigenständige Tätig-keit in der Saarhauptstadt, die ihn bald zu der unbestreitbarmarkantesten Künstlerpersönlichkeit des Landes machte.
Die Bedeutung Fritz Grewenigs für die Kunst des Grenz-landes in den bedeutsamen Jahren vor dem1935 beruht auf seiner vielfältigen Aktivität. Neben seinem Plebiszit von
eigenen, sich reich entfaltenden künstlerischen Schaffenstand seine
organisatorische Leistung, der eigentlich das
Entstehen einer ernsthaft und fortschrittlich schaffendensaarländischen Künstlerschaft zu verdanken ist, und vor
allem seine Initiative zur Schaffung einer Staatlichen Schule
für Kunst und Kunstgewerbe in Saarbrücken, deren Leiter er auch bis zu
ihrer Auflösung 1936 war
Diese Schule war berufen, aus dem seit dem Ende der
Fürstenzeit im 18. Jahrhundert in künstlerisches Brachlandzurückgefallenen Saarbrücken ein neues Zentrum der Kultur
zu machen. Sie war hervorragend geleitet und mit fort-schrittlichen, weit über das Regionale hinaus bedeutenden
Lehrkräften ausgestattet, die Professor Grewenig mit Umsicht und Weitblick aus dem Kreis ihm bekannter und von
Dresden her befreundeter Künstler ausgewählt hatte. Der
Schule angeschlossen war ein Staatliches Museum, das dank
des Kontaktes seines Leiters mit der Avantgarde des In- und Auslandes bald
einen außerordentlich reichen Bestand an modernenwur den dort veranstaltet; die bedeutendsten Künstler der
Kunstwerken besaß. Über hundert Ausstellungen
Zeit kamen nach Saarbrücken und sprachen vor ihren
Bildern über ihr Werk
Schule und Museum, ja Grewenigs gesamte Tätigkeit ins einer Heimat fielen dem banausischen Vorurteil zum Opfer,
daß ein Grenzland kulturelles Niemandsland sein müsse, um
den Alptraum des Separatismus zu bannen. Es soll hier nichtd ie Chronik der Intrigen und Gewaltmaßnahmen geschrieben werden, die ein dunkles Kapitel so genannter Kulturpolitik füllen. (Sie ist übrigens noch nicht geschrieben!) Es
genügt festzuhalten, daß Fritz Grewenig 1936 in Trier eine
neue Heimat und mit Unterstützung des Herrn von Boch in Mettlach an der
Trierer Werkschule ein neues Betätigungsfeld fand.
Als ein Abstellgleis für einen Ausrangierten kann man
Grewenigs Trierer Zeit wahrlich nicht bezeichnen. Ewirkte mit unverminderter Kraft und Lehrfreude am neuen
Ort und war nach dem letzten Krieg die treibende Kraft
beim Wiederaufbau des Trierer Kunstlebens.
Die Trierer Lehrtätigkeit endete 1950 mit Grewenigs Berufung an die Landeskunstschule in Mainz, wo er bis zur
Versetzung in den Ruhestand lehrte. Der seiner amtlichen
Pflichten Ledige zog dann nach Trier zurück. Endlich
konnte der vorher so vielfältig Tätige sich darauf beschränken, nur noch Maler zu sein. Der rüstige
Dreiundsiebzigjährige ist weiterhin ein maßgeblicher Faktor im Kunstleben
seiner Wahlheimat Trier.
Schon recht früh sind Bilder Grewenigs der
Kunst liebenden Öffentlichkeit bekannt geworden. Bereits 1917 fand in einer Saarbrücker Kunsthandlung die erste Kollektiv
Ausstellung statt, der 1920 am gleichen Ort eine zweite folgte. Drei ahre später schon veröffentlichte das ,, Jahrbuch junger Kunst" bei Klinkhard und Biermann mehrere Bilder des Künstlers. Hermann Ginzel schrieb den Text dazu. Seitdem gehörten Grewenigs Werke zu dem regelmäßigen Bestand der bedeutenderen Galerien Deutschlands und der Schweiz. Er beteiligte sich an den großen Jahresausstellungen in Düsseldorf und Essen. Vor seinem Abschied aus Saarbrückent rat er 1932 noch einmal bei der im Rahmen der „Großen Berliner" durch seine Initiative zustande gekommenensaarländischen Sonderschau hervor. Von Trier und zwischendurch von Mainz aus hat der Künstler wiederholt und bis zum heutigen Tage seine Werke für anspruchsvolle Ausstellungen des In- und Auslandes zur Verfügung gestellt. Grewenig begann am Anfang der zwanziger Jahre als Expressionist", als ein Künstler also, der von dem Augenblicksgenuss impressionistischer Landschaftsmalerei fort zu einer ausdrucksstarken Darstellung der spannungsvollen Beziehung von Mensch und Welt strebte. Sehr deutlich tritt gleich zu Beginn schon das Anliegen des Künstlers hervor, seinen Bildern den Charakter des zufällig gesehenen
Ausschnittes zu nehmen, sie vielmehr zu einem fest gefügten Ganzen zu machen, dessen Teile sich in
Umriss und Bewegung einander angleichen und aufeinander Bezug nehmen. Aus dem Vielerlei ein Ganzes zu machen, was man vage. komponieren' nennt, ist ja nun für jeden Künstler das eigentliche Problem, und die Art, wie er zusammenfügt, ist das was man „Stil" nennt. Es ist die ein Künstler
Leben lang sich immer wieder stellende Aufgabe des Malvorganges, die schon beginnt, wenn der zweite
Pinselstrich neben den ersten gesetzt werden soll.
Es muss hier klargestellt werden, dass die Herstellung eines solchen Zusammenhanges durchaus nicht das primäre An-liegen im Bewusstsein des Künstlers zu sein braucht. Ja, es scheint so, als ob das allzu
bewusste Hinzielen au den formalen Zusammenhang oder vielleicht gar das ausschließliche Interesse des Künstlers am Formalen eine nicht un-bedenkliche Entartung des ursprünglichen Schaffensvorganges sei. Der unverbildet fühlende und tätige Künstler beginnt mit dem Erlebnis. Erlebnis und formale Gestaltungsverhalten sich aber im Falle echten Künstlertums so zueinander, daßssdem Künstler bestimmte sichtbare Erscheinungen deshalb zum künstlerischen Erlebnis werden, weil sie ihrer Art nach bereits seiner Formvorstellung verwandt sind. Die Natur wird zur Bestätigung dieser Vorstellung.Für
Grewemg ist übrigens bezeichnend, dass der Ausgangspunkt seines Schaffens immer das unmittelbare Erlebnis war und bis heute geblieben ist. Es drängt ihn,' etwas darzustellen, im richtigen Sinne eine vom Augenerlebnis gebotene Bestätigung seiner Vorstellung zu verwirklichen. Nicht etwa führt er eine Manier um ihrer selbst willen vor. Mankann ihn geradezu einen naiven Künstler nennen. Das bedeutet nicht, daß er das Angebot des Erlebnisses als schongültiges Ergebnis betrachtet und unkontrolliert lässt. Im Gegenteil, es tritt sogleich das Anliegen auf, das Erlebte zu verarbeiten und künstlerisch zu bewältigen. Der Erlebnissättigung seiner Kunst verdankt Grewenig auch die Vielfalt seines Gesamtwerkes. Er hat sich nie wiederholt. Seine frühen „expressionistischen" Bilder sind Ergebnisse
von Erlebnissen, die seine Vorstellung von der Einbezogenheit des Menschen
in Natur und Umwelt bestätigen. Bezeichnend ist, dass damals mit den
"Gottsuchern" auch ein religiöses Thema auftrat. Das
Motiv "Mutter und Kind" kommt mehrfach vor. Es erscheint auch schon
im "Mittag" ein Fabrikarbeiter. Dieses erste Industriebild Grewenigs
stellt die Gebundenheit des Menschen an den Beruf dar. Allen diesen
Bildern gemeinsam ist die Einordnung des Figürlichen in einen großzügigen
Linien Rhytmus. Er kündigt bereits die kommende Entwicklung an.
Das Hauptthema aus Grewenigs Saarbrücker Zeit sind Dinge,
die als Nachahmung von Natürlichem vom Menschen gemacht sind, Künstliches
also, wie Attrappen, Schaufensterpuppen oder Masken.
In seiner ersten Trierer Periode kehrte Grewenig zum
Natürlichen zurück. Er malte Kinder und Blumen. Dabei bevorzugte er
den Klatschmohn, dessen sonores Rot sich ebenso zum Ausdruck des
schlicht Natürlichen eignet wie seine einfache Blütenform. Diese
Bilder haben etwas von urtümlicher Wachstums
Kraft. Die Formen
quellen rundlich, die Kinder scheinen demselben Wachstumsgesetz zu
folgen wie die Blüten. Die Einheit der Gestalten wird noch durch
eine besonders weich fließende Umrissart betont. Es sind immer noch
heitere Bilder, doch ist ihre Heiterkeit sanft und voll Gefühl, und
sie unterscheidet sich beträchtlich von dem kühlen Humor der
vorangegangenen. Solche Darstellungen
einer
friedlichen, sommerlichen Welt des Blühens sind ein lyrisches
Intermezzo innerhalb des Werkes. Es mag die so ganz anders
geartete Wirklichkeit jener Zeitläufe den Künst-ler zu dieser
stillen Opposition herausgefordert haben. Die letzte Periode,
bis in die tätige Gegenwart hineinreichend, steht deutlich der
Saarbrücker nahe. Das heißt, wie damals, so werden auch jetzt
die Bildflächen beherrscht von großen, energisch geführten
Kompositionslinien, die den Zusammen-hang der Teilformen
untereinander und ihre Einbeziehung in das Rechteck des Ganzen
auf eine Weise sichtbar und glaubhaft machen, die bei dem
aufnahmebereiten Be-trachter notwendigerweise das Gefühl
heiterer Beruhigung hervorbringt. Man könnte sagen: Die Bilder
„funktio-
nieren". Dabei ist das übersichtliche
Ineinandergreifen nicht erkauft mit plakatartiger Vergröberung
des Malerischen. E; ist vielmehr das Ergebnis eines
Reifeprozesses. Fritz Gre-wenig ist dahin gekommen, in seinem
— wenn man will — Altersstil das, was er zu sagen hat, einfach
zu sagen. Bein Anblick solch schöner Selbstverständlichkeit
wird man ai das Wort des großen französischen Malers Matisse
erinnert es sei die Aufgabe der Malerei, den ,,lebendigen
Mechanismus" darzustellen. Es kommt dem rückschauenden
Chronisten so vor, als habt es unter diesen Bedingungen gar
nicht ausbleiben können daß sich
Grewenig nun der Industrie als einem seinen Absichten gemäßen
Thema zuwendete. Vielleicht spielt auch
ein
neuerlicher Erlebnisanstoß bei gelegentlichen Besuchen
in der alten Heimat eine Rolle, so wie man früher oft
Gesehenes bei späterem Wiederbegegnen mit „neuen Augen"
wieder entdeckt in einem Erlebnis, das intensiver ist als
bei noch nie Gesehenem. Es haftet den nun zahlreich und
variationsreich entstehenden Industriebildern etwas von
Entdeckerfreude an. Wichtiger aber als eine solche
Mithilfe des Erlebniszufalles war sicher, daß der
Künstler jetzt in den Erscheinungen der Industrie eine
so großartige Möglichkeit gefunden hatte, seine
Vorstellung vom geordneten Bildbau zu verwirklichen. Die
von Grewenig dargestellte industrialisierte Technik ist
alles andere als ein Alptraum, als ein nach
unergründlichen, vielleicht sogar tückischen Absichten
sich bewegendes Untier, monströsen Tieren der Urzeit
ähnlich, halb Mammut, halb Riesenspinne. Man sieht auch
nicht den Menschen als hilfloses kleines Wesen,
eingespannt in den seelenlosen Ablauf der Mechanik,
Sklave oder gar Futter für den Rachen des Moloch. Auf
Grewenigs Bildern ist alles sinnvoll; die Logik des
Bildbaues überträgt sich auf unsere Vorstellung von der
Logik des künstlerisch gedeuteten Mechanismus. Hier
herrscht Vernunft, man könnte von „Rationalisierung"
sprechen. Dabei sind die Bilder alles andere als die
Wiedergabe von realen mechanischen Funktionsvorgängen.
Seine ,,Walzstraße" zum Beispiel ist nicht als
Anschauungsmittel zum Anlernen von Walzarbeitern
geeignet. Aber es hat mehr von der Walzenstraße als das
berühmte ,,Walzwerk" von. Menzel, wenn bei diesem auch
mehr Einzelheiten zu erkennen sind. Menzels
Industriebild ist im Grunde immer noch die aus der
Antike überkommene ,, Schmiede des Vulkan" mit
Höllenfeuer und mit starken Männern in pantomimisch
ausgreifenden Posen. Es ist abenteuerlich und
romantisch. Grewenigs
Industriebilder beziehen ihre Echtheit als Sinnbilder
moderner Technik aus dem Stil des Künstlers: Er
erarbeitet aus der Fülle der Erscheinungen einige
Motive, charakteristisch für die jeweilige
Industrieanlage, Träger Konstruktionen und Gestänge, die
Riesenzylinder der Winderhitzer zum Beispiel, aber auch
die mit mechanischer Regelmäßigkeit zustande kommenden
Rauchpilze und Feuerrosen. Diese Motive werden zu einem
gelegentlich bis zum Ornamentalen regelmäßigen Gefüge
verschmolzen. Es entsteht ein Formrhythmus. Die Farben
dieser späten Bilder entsprechen vollkommen der formalen
Anlage. Auch sie, könnte man sagen, sind rationalisiert:
Ein gut abgestimmter Farbakkord beherrscht jedes Bild
als farbiges Grundmotiv, und die Töne dieses
Akkordes
sind zellenartig, klar und bestimmt über die
Bildfläche ausgeteilt. Die so entstehende farbige
Übersicht-lichkeit wird noch verstärkt durch ein
Gerüst dunkler, oft schwarzer Konturen. Die
Einfachheit der farbigen Haltung bedeutet aber
nicht Simplizität. Innerhalb der Farbzellen ist
eine reiche Nuancierung am Werk; oft lagern sich
gegen die schwarzen Konturen der Zellen dunkle
Farbstrukturen ein, die den harten Übergang vom
farbstarken Inneren zur Umrandung mildern. Nicht
zufällig erinnert ein so gestaltetes Bild an
farbige Glasfenster. Vielmehr ist Grewenigs
malerischer Stil dem aus den Bedingungen des
Materials und seiner Verarbeitung erwachsenen Stil
des guten Glasfensters sehr ähnlich. Was bei ihm
das Liniengerüst ist, ist dort die Bleifassung.
Der Künstler hat übrigens seine Begabung zum
Entwerfen farbiger Fenster erkannt, doch haben die
Auftraggeber die Chance, einen so überaus zum
Glasmaler prädestinierten Künstler einsetzen zu
können, nur selten wahrgenommen, und so ist es
wohl bei den großartigen Chorfenstern der
wiederhergestellten Trierer Pauluskirche
geblieben. Der eigentliche Anlass dazu, diese
wohlklingenden Malereien mit dem hohen
Schmuckwert ihrer Farben als gültige Darstellungen
der modernen Technik anzuerkennen und sie über
realistischere Versuche zu stellen, ist noch
etwas Weiteres: Die Funktion eines technischen
Gebildes wird erst im zeitlichen Ablauf erkennbar.
Eine stillstehende Maschine mag in ihren Umrissen
imposant sein; der Sinn ihres Aufbaues wird erst
erfasst, wenn sie in Tätigkeit tritt. Wie soll die
Malerei den Bewegungsvorgang darstellen? Mit
Blitzen, Rauch und wilden Gesten der beteiligten
Menschen kann zwar die Vorstellung eine Geschehens
erzeugt werden, aber sie wird zu dem Fehlschluß
des Un-geheuerlichen, des Ungebändigten und
Gefahrdrohenden verführt werden. Mit solchen
Hexenküchen vermag man nicht das Wesen moderner
Industrieanlagen zu fassen. Das eigentlich
Charakteristische, die gezügelte, taktmäßige
Bewegung, ist so nicht darstellbar. Da muss der
Künstler andere Mittel suchen! Fritz Grewenig hat
sie gefunden: Die Regelmäßigkeit seiner Bilder,
die meist der Symmetrie nahe ist, die Wiederholung
der gleichen Formmotive in bemessenem
Fortschreiten über die Bildfläche, die geordnete
Wiederkehr der Farben, all dies erweckt bei dem
Betrachter sinnbildhaft die Vorstellung vom
geregelten, beherrschten Gang der nützlichen
Bewegung. Ein starker, unerschütterlicher Rhythmus
ohne Pathos und Melodrama ist in Grewenigs
Industriebildern am Werk. Der Betrachter glaubt
einen Klang zu ver-nehmen:
Das wahre Lied der
Arbeit.Neue
Seite 64 |
|
|
|
|